Wer
stirbt, singt nicht mehr schön!
Die junge Liebhaberin
würde ihr keiner abnehmen. Die gebürtige Püttlingerin
Anne Welte, die bereits mit 4 Jahren erste Auftritte hatte und an der Hamburger
Stage School studierte, eignet sich von Statur und Wirkung eher für
mütterliche oder Wirtinnen-Rollen, wie sie sie etwa im »Weißen
Rößl« oder als Madame Thénardier in »Les
Misérables« verkörperte – dafür erhielt sie den
1997 erstmals verliehenen Musical-Preis »Image«.
Annes
Rolle als Wirtin »Rebecca« ist nicht sehr groß, im zweiten
Akt taucht sie gar nicht mehr auf. Sie ist sich der Probleme, die dies bei der
Wirkung auf das Publikum hat, bewußt; sie weiß, wie schwierig es
ist, bis zum Schußapplaus im Gedächtnis zu bleiben. Sie hat auch
keine Solo-Musiknummern, allerdings durchaus einprägsame Szenen: Sie verweist
auf die »Salami-Szene«, die auch nach
meiner Einschätzung dem Film an Rasanz und Komik überlegen ist. Die
Wirtin gewinne im Musical, wie die meisten Charaktere, an Tiefe und psychologischer
Ausdeutung; Anne interpretiert sie als zwar resolute und auch eifersüchtige,
aber doch auch liebende und gefühlsvolle Frau. Besonders deutlich werde
dies in der 9. Szene, in der sie ihren Mann betrauert,
aber auch den Professor und Alfred daran hindert, Chagal zu pfählen.
Anne versucht, auch dieser kleinen Rolle möglichst viel Charakter zu geben,
und erzählt, dass Polanski von ihrer Darstellung durchaus angetan
gewesen sei.
Man sieht besonders in dieser Szene, dass sie das
Zeug zur Charakterdarstellerin hat. Da es viele Rollen gibt, für die
sie geeignet wäre, sowohl im Film und in Fernsehserien als auch auf
der Bühne, von Mutter Courage bis zu klassischen Rollen – kann man
da hoffen, sie bald auch einmal außerhalb des Musicalfachs zu erleben?
Das habe sie fest vor, meint Anne; das Musical schränke, wie die Oper,
die darstellerischen Fähigkeiten oft zu sehr ein und sei oft zu unrealistisch:
»Wenn ein Mensch stirbt, kann er nicht mehr schön singen;
dann muss man gebrochen singen. Es berührt das Publikum auch
viel mehr, wenn es merkt. dass man mit den Tönen kämpft.«
Die Kunst sei, es nicht zu übertreiben, dann wirke es unecht. Dass
Anne diese Gratwanderung beherrscht, kann man in der Trauerszene
deutlich merken.
Auch Film- und Fernsehenrollen seien für sie, so Anne,
durchaus erstrebenswert. Sie »klebt« auch nicht an einer Rolle –
»Ein Jahr, das ist genug!«. Mehr sei schädlich für
die künstlerische Entwicklung.
Mit der Figur des Vampirs musste sie sich in ihrer Rolle
natürlich nicht so stark auseinandersetzen wie andere; die Zähne sind
ihr erspart geblieben – obwohl sie sie sich gewünscht hätte: »Ich
habe die ganze Zeit darauf gewartet, auch zum Zahntechniker zu dürfen.«
So muss sich Anne als Mensch vom Publikum verabschieden – und bleibt
in Erinnerung als liebenswerte junge Frau, die weiß, was sie will, die mit
beiden Beinen fest auf der Erde steht und deren Weg als Charakterdarstellerin
ich mit Interesse verfolgen werde.